27.05.2021
Sie wurden geblitzt?
Die Messung wurde mit dem Messgerät Leivtec XV 3 durchgeführt? In diesem Fall sollten Sie den Bußgeldbescheid nicht akzeptieren!
Bei diesem Messgerät handelt es sich um ein lasergestütztes Geschwindigkeitsmesssystem mit Sensor und Kamera. Es bestimmt die Geschwindigkeit von Fahrzeugen, die sich auf den Sensor zubewegen, über eine Änderung der Entfernung und die Zeit. Die Ermittlung der Entfernung geschieht über die Laufzeit eines Infrarot-Laserimpuls, den das Messgerät ständig aussendet. Dieser wird von dem anvisierten Fahrzeug reflektiert und zum Sensor zurückgeworfen. Die Laufzeit jedes einzelnen Laserimpulses wird gemessen. Mit Hilfe der bekannten Lichtgeschwindigkeit wird die Entfernung berechnet. Eine Folge von Entfernungen wird in kurzen, gleichmäßigen Zeitabständen gemessen. Aus der Änderung der Entfernung mit der Zeit ergibt sich die Geschwindigkeit.
Voraussetzung für eine korrekte Geschwindigkeitsermittlung ist jedoch, dass der Laserstrahl nicht am Fahrzeug „entlangwandert“ und der Infrarot-Laserimpuls von verschiedenen Fahrzeugteilen reflektiert wird. Bei einer solchen Stufenprofilmessung kann das Messgerät eine falsche – auch zu hohe – Geschwindigkeit ermittelt.
Im Oktober 2020 haben verschiedene Sachverständige bzw. Sachverständigenorganisationen öffentlich bekannt gemacht, dass es bei der Messanlage Leivtec XV 3 bei Kraftfahrzeugen nach dem Stand der Technik ohne Installation von Störfaktoren zu erheblichen Messwertabweichungen kommen kann. Die Physikalisch-technische Bundesanstalt (PTB) hat daraufhin eine Korrektur der Gebrauchsanweisung für das Messgerät am 14.12.2020 genehmigt. Diese sieht bei der Auswertung des am Beginn der Messung angefertigten Beweisfotos vor, dass ein zusätzliches Kriterium erfüllt sein muss, andernfalls ist die Messung nicht verwertbar. Allerdings musste die PTB im März 2021 einräumen, dass trotz der geänderten Gebrauchsanweisung durch das Messgerät Leivtec XV 3 möglicherweise in sehr speziellen Konstellationen für manche aktuellen Fahrzeugtypen geeichte Geschwindigkeitsmesswerte mit unzulässigen Messwertabweichungen ausgegeben werden können. Der Hersteller Leivtec hat seine Kunden daraufhin am 12.03.2021 dahingehend informiert, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mit der notwendigen Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass es auch bei der Beachtung der Regeln der ergänzten Gebrauchsanweisung zu unzulässigen Messwertabweichungen kommen kann. Er hat aus diesem Grund die Anwender des Messgeräts gebeten, von amtlichen Messungen abstand zu nehmen. Eine Vielzahl der Anwender hat dieser Bitte entsprochen, es gibt allerdings auch solche, die das Messgerät weiterhin einsetzen.
Bußgeldbescheide, die auf Messungen beruhen, die trotz der Bitte des Herstellers durchgeführt wurden, aber auch auf Messungen, die bis zum 12.03.2021 stattgefunden haben, sollten in jedem Fall überprüft werden. Die meisten Amtsgerichte gehen derzeit davon aus, dass Messungen mit dem Messgerät Leivtec XV 3 nicht als standardisiertes Messverfahren angesehen werden können. Aus diesem Grund muss jede Messung und das mit dieser Messung gewonnene Ergebnis durch einen Sachverständigen geprüft werden. Häufig steht am Ende der Prüfung zumindest eine Reduzierung der im Bußgeldbescheid vorgeworfenen Geschwindigkeitsüberschreitung, was zur Folge haben kann, dass nur noch eine geringere Geldbuße angeordnet werden kann oder auch nur noch ein Verwarngeld (ohne Eintragung eines Punktes in des Fahreignungsregister). Auch kann unter Umständen die drohende An-ordnung eines Fahrverbotes wegfallen. In einigen Fällen wird das Verfahren auch gänzlich eingestellt werden.
Da Bußgeldverfahren Massenverfahren sind, ist eine solche Handhabung aber sehr aufwendig, weshalb einige Gerichte, z.B. das Amtsgericht Meißen, sogar einen Schritt weitergehen und Verfahren, in denen keine Anordnung eines Fahrverbotes droht, ohne Gutachteneinstellen. Ist die Geschwindigkeitsüberschreitung hingegen so erheblich, dass ein Regelfahrverbot angeordnet werden muss, wird die Messung bzw. das gewonnene Messergebnis durch einen Sachverständigen geprüft.
Wer mit dem Messgerät Leivtec VX 3 geblitzt wurde, sollte sich in jedem Fall an einen versierten Fachanwalt für Verkehrsrecht wenden, um sich gegen den Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung verteidigen zu lassen. Die Rechtsanwaltskosten trägt die Verkehrsrechtsschutzversicherung bzw. ggf. nach Verfahrenseinstellung sogar die Staatskasse.
23.05.2021
Corona-Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht
Wenn Sie noch keine Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht besitzen oder diese Dokumente bereits vor längerer Zeit angefertigt haben, sollten Sie die aktuelle Corona-Krise zum Anlass nehmen, eine Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht zu erstellen bzw. beide zu erneuern.
Patientenverfügungen kommen zur Anwendung, wenn Sie nicht mehr in der Lage sind, selbst zu entscheiden. Solange Sie noch ansprechbar sind und Ihren Willen äußern können ist das – auch bei einer Corona-Erkrankung – in der Regel der Fall. Wenn Sie jedoch, z.B. wegen einer künstlichen Beatmung, sediert werden müssen und nicht mehr einwilligungsfähig sind, entfaltet die Patientenverfügung ihre Wirkung in bestimmten Situationen, die in der Patientenverfügung genannt sein müssen. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn der unmittelbare Sterbeprozess eingesetzt hat.
Bei Corona-Fällen liegen diese Voraussetzungen dann vor, wenn trotz lebenserhaltender Maßnahmen der Eintritt des Todes droht.
Unabhängig von Corona sollten Sie eine vorhandene Patientenverfügung überprüfen und anpassen lassen. Die Rechtsprechung hat sich in den vergangenen Jahren immer wieder mit den inhaltlichen Anforderungen an eine Patientenverfügung beschäftigen müssen und diese deutlich erhöht. Wenn Sie eine ältere Patientenverfügung haben, müssen Sie daher damit rechnen, dass diese unwirksam ist.
Die Vorsorgevollmacht legt hingegen fest, wer bevollmächtigt wird, für Sie zu handeln, wenn Sie hierzu selbst nicht mehr in der Lage sind. Der Bevollmächtigte kann mit ihr nicht nur außerhalb des Krankenhauses/Pflegeheims für Sie rechtliche und finanzielle Angelegenheiten regeln, sondern auch gegenüber Ärzten auftreten, die ohne eine solche Vollmacht nur mit nahen Angehörigen (Ehegatte oder Kind) reden und deren Entscheidungen befolgen.
Nicht wegen einer drohenden Corona-Erkrankung möchten wir mit Nachdruck jedem Menschen empfehlen eine Patientenverfügung und eine Vorsorgevollmacht zu erstellen. Auch junge Menschen können, z.B. nach einem Unfall – zumindest vorübergehend – entscheidungsunfähig und dann auf diese Dokumente angewiesen sein. Ohne diese wird ein staatlich bestellter Betreuer Ihre Rechte wahrnehmen, den Sie nicht selbst ausgewählt haben, der Sie nicht kennt und von dem Sie nicht sicher wissen, ob er Ihre Angelegenheiten in Ihrem Sinne regelt!
22.05.2021
Private Krankenversicherung – Erstattung höherer Prämien
In den Verfahren mit den Aktenzeichen IV ZR 294/19 und IV ZR 314/19 hat der Bundesgerichtshof am 16.12.2020 entschieden, dass die Beitragserhöhung einer privaten Krankenversicherung nur dann rechtmäßig ist, wenn darlegt ist, bei welcher Prämienberechnungsgrundlage – Versicherungsleistungen, Sterbewahrscheinlichkeit oder beiden – eine so maßgebliche Veränderung eingetreten ist, dass die Prämie erhöht werden durfte.
Ein Standardschreiben ohne Angabe, welche Grundlage der Berechnung sich konkret verändert hat, reicht nicht.
Hat die Krankenversicherung die Prämienerhöhung nicht ordnungsgemäß begründet, kann sie die Begründung ihrem Versicherten auch nachträglich mitteilen. Die Prämienanpassung wird aber nicht rückwirkend wirksam. Der Versicherte muss die höheren Prämien erst zahlen, wenn die Krankenversicherung ihren Formfehler korrigiert und die Begründung nachgeholt hat. Für die Vergangenheit kann der Versicherte hingegen die Erstattung des Prämienmehrbeitrages fordern.
Da eine Vielzahl von Versicherern in der Vergangenheit Prämiensteigerungen mit inhaltsarmen, sehr allgemein gehaltenen Schreiben mitgeteilt haben, lohnt sich nach den beiden aktuellen Urteilen eine Prüfung der Beitragssteigerungen der eigenen privaten Krankenversicherung durch einen Experten, der mit dieser Materie vertraut ist. Eine Rechtsschutzversicherung übernimmt die Kosten eines Anwalts, der die Erfolgsaussichten der Beitragsrückforderung bespricht und diese durchsetzt.